Zukunft mit und ohne Abitur
Unter der Überschrift „Ohne Abitur keine Zukunft?!“ lud die Junge Union Alsfeld am vergangenen Samstag zu einer Podiumsdiskussion ein. Im Alsfelder Marktcafé diskutierten Kanzleramtsminister Prof. Dr. Helge Braun, ehem. Staatssekretär des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Kreishandwerksmeister Edwin Giese und Oberstudienrat Jürgen Hartmann, Vorsitzender des Hessischen Philologenverbands aus Michelstadt. Mit Patrick Vogel saß zudem ein Absolvent der Staatlichen Technikerakademie ohne Abitur im Podium, der derzeit als Projektleiter im Hochbau in Frankfurt arbeite.
„2006 machten 43% eines Jahrgangs in Deutschland Abitur, 2015 waren es bereits 53%“, erklärte Eric Planz, Vorsitzender der Jungen Union, zu Beginn. Die schulische Qualifizierung sei ein Thema, was nicht nur die Zukunft der Jugendlichen betreffe, sondern auch der Wirtschaft und der Gesellschaft. Die Moderation des Abends übernahm der 20-jährige Alexander Reinsch, Dualer Student beim Finanzamt in Friedberg.
Edwin Giese berichtete, dass die Zahl der Studienabbrecher, die ins Handwerk wechselten steige. 60% eines Abiturjahrgangs nähmen ein Studium anschließend auf. Die Gesellschaft brauche zwar Akademiker, aber rund 20% Akademikerquote reiche vollkommen aus, stellte Giese in den Raum. Schließlich gäbe es viele Akademiker, die nach dem Abitur keinen Job fänden, und gleichzeitig fehle es an Facharbeitern im Handwerk.
Helge Braun wurde 2015 von der Wochenzeitung „Die Zeit“ als Krisenterminator der Kanzlerin bezeichnet. „Herr Braun, was würden Sie machen, wären Sie bei der aktuellen Abiturschwemme Bildungskrisenterminator?“, fragte Alexander Reinsch den Abgeordneten. Braun erklärte, dass er keine Bildungskrise sehe. Allerdings sei die Digitalisierung eine große Herausforderung für das Land. Die deutsche Wirtschaft werde künftig zwar viele Akademiker, aber umso mehr Facharbeiter benötigen. Berufsorientierung werde zu einem wichtigen Thema der Zukunft.
Jürgen Hartmann entgegnete, dass Aufgabe des Gymnasiums vorrangig sei, die Schüler für ein Studium zu berechtigen, und nicht Berufsorientierung zu betreiben.
In einem Schlusswort erklärte Giese, dass das Handwerk im Vogelsbergkreis mit über 1.500 Handwerksbetrieben und 539 Auszubildenden tatsächlich die „Wirtschaftsmacht von nebenan“ sei. Giese appellierte daher an Politik und Schulen, die sehr guten Perspektiven des Handwerksberufes zu kommunizieren. Der Unterschied in Ruf und Bezahlung zwischen Akademikern und Facharbeitern sei längst nicht mehr hoch. Hartmann betonte, dass jeder Cent in Bildung die bestmögliche Investition sei. Das deutsche Abitur solle weiterhin eine Studienbefähigung bleiben. Schulen solle der Rücken gestärkt werden, dass beim Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule nicht allein der Elternwille die beste Schulform für das Kind bestimme. Vogel meinte, dass in Schulen mehr über die Bildungs- und Berufschancen aufgeklärt werden müsse. Schließlich stünden einem auch ohne Abitur alle Möglichkeiten offen. Und mit einem Meisterabschluss könne man sich später immer noch für ein Studium entscheiden.